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neue Gemeindezeitung online: Nr.30





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Eine Botschaft für die Armen

Kauz: Guten Abend, Eule. Hast du schon mal mit knurrendem Magen in der Kirche gesessen? Das lenkt ab vom Wort des Gottesdienstes oder?

Eule: Im Grunde ja, aber...

Kauz: Was aber, erklär mir deine Welt...

Eule: Hör zu und schau sie dir an! Du sprichst sicher von dem Ausnahmefall, das in unserem reichen Land jemand vergaß, rechtzeitig zu essen oder?

Kauz: Natürlich ja, ist mir selbst neulich passiert. Das war so...

Eule: Laß mal gut sein. Ich erzähle dir gern eine Begebenheit, die sich überall wiederholen kann. Es ist ein Denkanstoß und ein Mahnmal zugleich.

Kauz: Hört sich aber bedrohlich an...

Eule: Ich war kürzlich in einem Land der sogenannten Dritten Welt. Ein Prediger aus dem reichen Europa versorgte die Gläubigen dort, stärkte und organisierte die Amtsträger...

Kauz: Eine Art Missionsreise...

Eule: Genau. Nun höre aber mal fein zu.
Wir gingen in einen Gottesdienst sehr früh. Dann kamen die Menschen. Der Prediger begrüßte alle sehr freundlich und hieß sie willkommen, gab ihnen das Gefühl, in der Kirche zuhause zu sein. Den Menschen sah man Not und Armut an. Sie kamen in alten, zum Teil zerrissenen Kleidern, manche ohne Schuhe, etliche sahen ausgemergelt oder krank aus.
Die Predigt begann. Nach einigen einleitenden Worten sprach der Prediger von dem schönen Lied: "Eine Botschaft für die Armen ist das Evangelium" und legte es wunderbar aus...
... und in der Kirchenbank hörten sie es... und einige fühlten den knurrenden Magen und dachten, dass sie zwei Tage nichts gegessen hatten...
... und der Prediger las ihre Gedanken und dachte mit schwerem Herzen daran, dass er zuhause ein gutes Einkommen hatte, eine immer warme Wohnung, zwei Autos zur Verfügung...

Kauz: Fühlte er nicht, helfen zu müssen aus diesem privaten Überfluß?

Eule: Er fühlte schon was, aber schob es im Augenblick beiseite...

Die Predigt ging weiter über die Erlösung der Armen...
... und eine Mutter betrachtete ihr krankes Kind auf dem Schoß und dachte, dass sie ihm mit ein paar Dollar die notwendige medizinische Hilfe geben könnte...
... und der Prediger las ihre Gedanken und dachte mit schwerem Herzen daran, dass seine Kinder zuhause gut genährt waren, eine gute Ausbildung hatten und jede ärztliche Hilfe zu jeder Zeit bekommen können...

Kauz: Fühlte er nicht, helfen zu müssen aus diesem Überfluß?

Eule: Er fühlte schon was, aber er schob es wieder beiseite und dachte, dass er ja vor allem das geistige Brot und die geistige Hilfe gleich einem Seelenarzt zu bringen hatte...

Kauz: Klingt trotzdem ignorant und hartherzig!

Eule: Die Predigt ging weiter über die schöne Gemeinschaft der Gläubigen in Christo Jesu, über den Zusammenhalt und das Wort "einer trage des anderen Last, um das Gesetz Christi zu erfüllen"....
... und ein alter Mann sah den Marmor in der Kirche und dachte an sein Blechdach zuhause, durch das der Regen strömt, und weinte...
... und der Prediger las seine Gedanken und dachte an die vielen grossen Repräsentationsbauten der Kirche überall auf der Welt, in denen sich auch viele hungernden Menschen versammeln... und dachte auch an die Gläubigen im reichen Europa, die so sehr auf die hohe Ausstattung ihrer eigenen Kirche achteten und gerne meckerten, wenn nicht rechtzeitig renoviert oder repariert wurde...

Kauz: Fühlte er nicht, etwas ändern zu müssen?

Eule: Er fühlte es, schob es abermals beiseite, denn er wollte sich zuhause bei niemandem unbeliebt machen...

Kauz: Feige!

Eule: Die Predigt ging weiter und schloß mit dem Segen für alle Anwesenden.

Kauz: Das war´s?

Eule: Nein, keineswegs. Der Prediger ging nach Abschluß des Gottesdienstes zum Fahrzeug, das ihn in die nächste Stadt brachte. Er war irgendwie erleichtert, dass er den Bitten und Fragen der Armen nach einer kleinen Unterstützung aus dem Wege gegangen war, wissend, dass er den Menschen nicht weiter in die Augen sehen konnte. Ob es ihm lästig war oder ob er seinen inneren Konflikt nicht lösen konnte zwischen "reich da und arm hier", das habe ich nie erfahren.

Kauz: Ein harter Brocken! Aber Not teilt die Gemeinschaft, da kannst du predigen, was du willst oder?

Eule: Es passierte noch etwas. Als er noch so im Auto saß und auf den Chauffeur wartete, standen die Gläubigen vor der Kirche. Es kam ein Auto vom Roten Kreuz vorbei. Der Fahrer sah die armen Menschen, es jammerte ihn und er hielt an. Sein Auto war beladen mit Brot und Fisch, eigentlich für ein anderes Ziel, für andere Menschen in der Nachbarstadt. Aber der Fahrer dachte bei sich: Ich muß helfen da, wo ich gehe und stehe, also auch hier. Er teilte Brot und Fisch aus, bis sein Auto leer war. Dann fuhr er weg.
Ein kleines Kind unter den Gläubigen hatte ein Stück Brot in der Hand und schrie zu allen: "Das war ein Engel. Den hat der liebe Gott geschickt!"

Kauz: Wie kann ich Menschen leiden und sterben sehen in ihrer Not und "nur" predigen?

Eule: Die Antwort weißt du nicht selbst?! Er machte sich auf, in den Heimat fortan den Armen zu helfen.

Kauz: Wie denn bitte?

Eule: Den Wohlhabenden in Europa erzählen von der Armut, bis es niemand mehr aus seinem Alltag und Denken verdrängen kann; ihnen zudem klar machen, dass hier zu sparen ist, um dort Not zu lindern; zu werben für jede Form von Mildtätigkeit und gegen jede Form des Egoismus hier.

Kauz: Er wollte den Armen doch in die Augen sehen?

Eule: Im Grunde ja, aber..

Kauz: Was aber?

Eule: Er hatte vor allem erkannt, dass das Evangelium nicht nur eine Botschaft für die geistlich Armen ist, sondern für die Hungernden und Dürstenden...

Kauz: Wer ist der Prediger?

Eule: Du kennst ihn nicht?



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